Muskuloskelettale Radiologie
17. Muskuloskelettale Radiologie
Autor: Roman Fischbach
Das Ziel dieses Kapitels ist:
Die optimalen bildgebenden Methoden und Algorithmen des Bewegungsapparates mit Frequenzpriorität in der Radiologie mit den Studenten zu erwerben.
Die radiologischen Grundlagen des MSK-Systems und deren Bedeutung in der Diagnostik kennenzulernen.
17.1. Anatomische Vorbemerkung
In der Röntgenbildgebung des Skeletts sind nur die kalziumhaltigen knöchernen Strukturen abbildbar. Der kortikale Knochen (Kortex) der langen Röhrenknochen stellt sich als kräftiges homogen sklerosiertes Band in der Diaphyse dar, die sich am Übergang zur Metaphyse deutlich ausdünnt. Die Epiphyse ist durch eine dünne kompakte Knochenlamelle begrenzt, die Kortikalis. Der spongiöse Knochen setzt sich aus einem dreidimensionalen Netz feiner Knochenbälkchen zusammen. Der Knochen selbst ist vom Periost, der Knochenhaut, umgeben, die sich radiografisch nicht abbildet. Die Epiphyse besitzt einen Knorpelüberzug, der sich in der Röntgenbildgebung nicht abgrenzt, wodurch der radiologische Gelenkspalt breiter erscheint als der anatomische Gelenkspalt. Bei Kindern ist der radiologische Gelenkspalt deutlich breiter als bei Erwachsenen, da die Epiphyse noch zum größten Teil aus Knorpel mit nur einem kleinen zentralen Ossifikationskern aufgebaut ist. Am Ende der Wachstumsperiode verknöchert die Epiphyse inklusive der Epiphysenfuge vollständig. Die Epiphysenfuge ist manchmal als feine Skleroselinie erkennbar.
17.1.1 Akzessorische Knochen
Akzessorische Knochen sind Normvarianten. Sie entstehen aus persistierenden Apophysen oder zusätzlichen Knochenkernen und müssen von Absprengungen oder Fragmenten abgegrenzt werden. Die Kenntnis ihrer typischen Morphologie und Lokalisation ist sehr wichtig, um Fehlinterpretationen insbesondere bei Röntgenaufnahmen verunfallter Patienten zu vermeiden. Normalerweise helfen klinische Symptome, typische Position und rundliche Form mit glatten und sklerotischen Rändern sowie das Fehlen frakturtypischer irregulärer Linien diese akzessorischen Knochen von Fragmenten zu trennen.
17.2. Technische Modalitäten
17.2.1. Konventionelle Radiologie
In der Skelettbildgebung wird die konventionelle Röntgenbildgebung mit Abstand am häufigsten eingesetzt. Röntgenbilder stellen die Röntgenstrahlabsorption in unterschiedlichen Grauschattierungen dar. Je mehr Kalzium vorhanden ist, desto weißer (oder dichter) ist dieses Teil des Röntgenbildes – je weniger Kalzium vorliegt, desto schwärzer (oder heller) ist dieses Areal des Röntgenbildes.
Bei der Betrachtung eines Skelettfilms müssen viele Einzelheiten bewertet werden:
- anatomische Form und Stellung
- Position der artikulierenden Skelettanteile
- Knochendichte,
- Kortex und Kortikalis
- Spongiosa
- Gelenkfläche und Gelenkspalt
- Weichgewebe, Fremdkörper
Da Röntgenfilme ein Projektionsbild einer dreidimensionalen Struktur darstellen, ist eine zweite Ebene, normalerweise senkrecht zur ersten Aufnahme, erforderlich, um eine dreidimensionale Struktur vollständig abzubilden und zu verstehen. Bei komplexen anatomischen Regionen werden zusätzliche Schrägaufnahmen oder Funktionsaufnahmen nötig (Radiusköpfchen, Schulter, Becken, Wirbelsäule).
Abb. 3 Meißelfraktur des Radiusköpfchens. Die Fraktur ist nur in der Schrägaufnahme eindeutig abgrenzbar (rechtes Bild), während die Fraktur in der Seitaufnahme (linkes Bild) kaum erkennbar ist. Die Verlagerung des Fettpolsters (weißer Pfeil) weist auf einen Gelenkerguss als indirektes Traumazeichen hin.
17.2.1.1. Stressaufnahmen
Zur Beurteilung eines Gelenkes können Aufnahmen unter Belastung hilfreich sein. Die Belastung kann entweder durch Gewicht (Beurteilung des Akromioklavikulargelenks) oder durch externen Druck zur Veränderung der Ruhestellung der artikulierenden Knochen (Test der Außenbänder des oberen Sprunggelenkes) erfolgen. Belastungsaufnahmen werden durchgeführt, um die Gelenkstabilität bei Bandverletzungen zu überprüfen. Die Bilder werden unter standardisierten Bedingungen mit Gewicht oder Druck angefertigt. Eine Subluxation oder eine Erweiterung des Gelenkspaltes weist dabei auf einen partiellen oder kompletten Riss eines Ligaments hin. Anhand konventioneller Übersichtsaufnahmen muss vor der Durchführung einer Belastungsuntersuchung eine Fraktur sicher ausgeschlossen sein.
17.2.1.2.Tomografie
Die konventionelle Röntgentomografie wurde in der Skelettbildgebung eingesetzt um Frakturen oder Infektionen insbesondere bei komplexen Knochen (Tibiakopf, Dens, Wirbelsäule) zu beurteilen. Heutzutage werden diese Fragestellungen besser durch die Computertomografie oder Magnetresonanztomografie beantwortet.
17.2.2. Computertomografie
Die CT ist eine sehr wichtige Modalität für die Skelettdiagnostik, insbesondere in der Diagnostik von Verletzungen und komplexen knöchernen Läsionen. Die CT zeichnet sich durch eine exzellente räumliche Auflösung aus und gestattet eine detaillierte Betrachtung von Knochen und umgebendem Weichgewebe aufgrund ihrer guten Kontrastauflösung. Die Computertomografie ist die Standardtechnik zur Beurteilung des Schädelskeletts und der Schädelbasis bei Verletzungen und wird häufig für die Darstellung von Wirbelsäule, Becken, Schulter und Füßen bei komplexen Verletzungsmustern eingesetzt. Bei Verwendung von submillimeter Schichtdicken und schneller Datenakquisition können hochaufgelöste zweidimensionale und dreidimensionale Reformatierungen errechnet werden, die in der Traumadiagnostik heutzutage Standard sind. Die CT eignet sich zudem sehr gut zur Kontrolle und Steuerung von therapeutischen Interventionen wie z. B. einer Knochenbiopsie, Vertebroplastie oder Radiofrequenzablation von Knochentumoren.
17.2.3. Magnetresonanztomografie
Die MRT ist derzeit die sensitivste nicht invasive bildgebende Modalität zur Gelenkdarstellung, zur Beurteilung von Knorpel und Ligamenten bei Verletzungen und Infektionen. Die MRT zeichnet sich durch einen besonders guten Weichteilkontrast aus und gestattet eine detaillierte morphologische Beschreibung von auffälligen Läsionen, die Bestimmung der exakten Ausdehnung und den Nachweis einer extraossären Beteiligung z. B. bei Knochentumoren. Weiterhin kann die MRT diskrete Veränderungen bei okkulten Frakturen oder dem transitorischen Knochenmarködemsyndrom nachweisen, da Signalintensitätsveränderungen mittels MRT bereits erkennbar werden, obwohl die Übersichtsaufnahme keinerlei Auffälligkeiten zeigt. Der sehr gute Weichteilkontrast macht die MRT zur derzeit besten Methode zur Darstellung von Sehnen, Menisken und der Synovia.
17.2.4.Ultraschall
In der muskuloskelettalen Bildgebung spielt die Ultraschalluntersuchung nur eine begrenzte Rolle. Durch den Knochen kommt es zu einer vollständigen Reflexion der Ultraschallwellen, sodass nur die Knochenoberfläche und nicht die Knochenstruktur beurteilt werden kann. Knöcherne Destruktionen, Erosionen und manchmal auch Frakturen können allerdings dargestellt werden. Bei Rippenfrakturen und Frakturen des Sternums ist die Ultraschalluntersuchung der konventionellen Röntgenaufnahme sogar überlegen. Die Hauptrolle für den Ultraschall ist die Darstellung von Bändern, Gelenkergüssen und den periartikulären Weichgeweben.
17.2.5. Nuklearmedizin
Die Szintigrafie stellt den Knochenstoffwechsel und nicht die knöcherne Morphologie dar und findet daher Anwendung in der Detektion von Metastasen oder Infektionsherden. 99m Tc MDP (99m Tc Biphosphonat) wird partiell im Knochen absorbiert und stellt somit den Knochenstoffwechsel dar. In Regionen mit erhöhter Stoffwechselaktivität ist eine verstärkte Nuklidanreicherung zu sehen. Knochenperfusion, die Dicke des Knochens, und die Osteoblastenaktivität bestimmen das Ausmaß der Nuklidbelegung. Knochenszintigrafien werden entweder als 1-Phasen-Szintigrafie (Knochenszintigrafie zum Ausschluss von Metastasen) wobei die Bildgebung 2-3 Stunden nach der Nuklidinjektion erfolgt, oder sie wird als 3-Phasen-Untersuchung mit Bildakquisition während der Injektion, in einer Frühphase und in einer Spätphase (Perfusion, blood-pool und Spätphase) durchgeführt. Für eine detaillierte Beschreibung der nuklearmedizinischen Untersuchungstechniken wird auf das entsprechende Kapitel verwiesen.
17.3. Trauma
Röntgenaufnahmen des Skeletts werden mit Abstand am Häufigsten angefertigt, wenn es gilt eine knöcherne Verletzung auszuschließen oder zu dokumentieren. In der Auswertung dieser Röntgenaufnahmen sind eine exakte Anamnese und klinische Untersuchung mit Kenntnis von lokalen Schmerzpunkten nicht nur hilfreich sondern Vorbedingung für eine korrekte Interpretation der Bilder.
17.3.1. Weichgewebe
Bei der Betrachtung von Röntgenaufnahmen im Rahmen der Traumadiagnostik müssen vorhandene Weichteilschwellungen oder Fremdkörper beachtet werden. Wenn Fremdkörper dichter als das Weichgewebe sind, werden Sie sehr einfach erkennbar (z. B. Metallabrieb oder Split). Wenn Fremdkörper weniger dicht sind (z. B. Luft) sind sie manchmal nur bei genauer Betrachtung nachweisbar. Die meisten Aufnahmen müssen entweder mit einem hellen Licht oder mit angepasster Fenstereinstellung bei digitalen Bildern betrachtet werden, um die Weichgewebe korrekt zu bewerten. Ein fehlender radiologischer Fremdkörpernachweis schließt allerdings das Vorhandensein derartiger Fremdkörper nicht aus, da viele Arten von Glas, Knochensplitter oder Plastik ähnliche Dichten besitzen wie Weichgewebe und mittels Röntgenaufnahmen nicht nachweisbar sind.
Eine Weichteilschwellung kann zum einen anhand der reinen Volumen- und Dichtezunahme auffallen, zum anderen auch durch eine Unterbrechung von normalen Fettlinien. Wird subkutanes Fett oder Fett zwischen Muskelschichten durch ein Ödem (Wasserdichte) infiltriert, wird diese Fettschicht nicht mehr länger kontrastgebend abgrenzbar gegenüber anderen Strukturen mit wasserähnlicher Dichte wie z. B. Muskelgewebe oder Sehnen.
17.3.2. Frakturen
Frakturen können sehr leicht erkannt werden, sofern sie Fehlstellungen, Distraktionen oder ausgeprägte Zertrümmerungen aufweisen. Trotzdem werden Frakturen häufig übersehen, insbesondere wenn sie sehr diskret sind oder man nicht systematisch nach Verletzungsfolgen sucht. Die detaillierte Beurteilung einer Skelettaufnahme beinhaltet, dass jede kortikale Linie in gesamter Länge verfolgt wird und dass in jeder vorhandenen Projektion um auch diskrete Irregularitäten oder Kortikalisunterbrechungen zu entdecken. In der Traumadiagnostik sind zwei senkrecht aufeinander stehende Ebenen unabdingbar. In anatomischen Regionen, wo eine zweite Ebene nicht möglich oder nicht sinnvoll ist (Becken, Schulter) werden ergänzend Schrägaufnahmen angefertigt. Sofern eine erste Bildserie keine Fraktur nachweist und ein hochgradiger klinischer Verdacht einer knöchernen Verletzung besteht, sollte die betroffene Extremität immobilisiert werden und dann nach 8-10 Tagen erneut radiografisch untersucht werden. Diese sogenannten Spätaufnahmen weisen üblicherweise Frakturlinien besser nach, da es im Rahmen der Frakturheilung zunächst zu einer Knochenresorption mit besserer Demarkierung von Frakturlinien kommt. Die Magnetresonanztomografie kann in dieser Situation eingesetzt werden um okkulte Knochenverletzungen bereits frühzeitig nachzuweisen.
Frakturen können in unterschiedlicher Art und Weise klassifiziert werden. Auf eine Darstellung der teils komplexen Klassifikationssysteme der Traumatologen wird in diesem Text zugunsten einer einfacheren Systematik verzichtet.
Eine lineare Fraktur oder Querfraktur ist eine Frakturlinie, die den Knochen durchzieht. Die Fraktur ist normalerweise anhand der Ausrichtung der Frakturlinie und anhand der Anzahl der entstehenden Fragmente (siehe Abb. 7) einzuteilen. Sofern die Fraktur nur teilweise durch den Knochen zieht, spricht man von einer Fissur oder unvollständigen Fraktur. Wenn die Fraktur eine einzige Frakturlinie besitzt, ist es eine einfache Fraktur. Finden sich mehr als zwei Fragmente, so ist es eine Mehrfragment- oder Trümmerfraktur. Bei einer einfachen Fraktur finden sich ein proximales Fragment (näher zum Körperzentrum) und ein distales Fragment (weiter weg vom Körperzentrum).
Frakturen können als verlagert oder in anatomischer Position stehend beschrieben werden. Ist es zu einer Fragmentverlagerung gekommen, so wird diese Verlagerung hinsichtlich Position und Ausrichtung der Fragmente zur weiteren Frakturbeurteilung herangezogen. Das distale Fragment wird dabei im Verhältnis zum proximalen Fragment beschrieben. Bei der genauen Bezeichnung der Frakturstellung wird die Angulation oder Neigung des distalen Fragmentes in Bezug (dorsal, volar, inferior, medial usw.) zum proximalen Fragment gesetzt.
Kommt es zu einer parallelen Verlagerung der Fragmente, wird hierbei das Ausmaß der Verlagerung in Kortikalisbreiten oder Schaftbreiten und in der Richtung der Verlagerung charakterisiert. Ist ein Fragment nach distal verschoben, handelt es sich um eine Distraktion im Gegensatz zu einer Kontraktion mit Übereinanderprojektion der Fragmente.
Abb. 9 Abbildung mit unterschiedlichen Frakturverlagerungen: 1. Seitverlagerung 2. Seitverlagerung mit Kontraktion 3. abgewinkelte Fraktur 4. Distraktionsfraktur mit Rotation
Bei einer Kompressionsfraktur findet man eine Verdichtungslinie an Stelle der üblichen Aufhellungslinie im Frakturverlauf. Diese Verdichtungslinie besteht, wenn das distale Fragment in das proximale Fragment eingestaucht ist und sich somit eine erhöhte Röntgenabsorbtion durch die zunehmende Knochendichte an der Stelle der Verletzung ergibt.
Eine Stressfraktur oder Ermüdungsfraktur entsteht, wenn ein Knochen einer physiologischen Belastung, die allerdings deutlich über dem typischen Aktivitätsniveau des Patienten liegt, ausgesetzt ist. Zunächst kann eine solche Stressfraktur dem Nachweis in der Röntgenaufnahme entgehen, typischerweise zeigen sich aber bald im Rahmen der Frakturheilung Sklerosierungsareale oder sogar ausgeprägte Kallusbildungen, die die Fraktur dann retrospektiv erkennbar machen.
Splitterfrakturen sind Frakturen, wobei nur kleine Knochenfragmente im Rahmen eines Traumas abgesprengt werden. Abrissfrakturen sind durch kleine knöcherne Fragmente, die durch Muskel- oder Sehnenzug oder im Kapselbandansatz durch die Weichteilanheftung abgerissen werden.
Kommt es zu einer Fraktur bei einer vorbestehenden knöchernen Läsion, so handelt es sich um eine pathologische Fraktur. Häufige Ursachen für pathologische Frakturen sind ein Knochentumor, eine Knocheninfektion oder eine aseptische Knochennekrose. Die pathologische Fraktur ist dadurch gekennzeichnet, dass es entweder kein Trauma oder nur ein geringfügiges Trauma gab, was im Normalfall nicht in der Lage gewesen wäre eine Fraktur hervorzurufen.
Eine Gelenkfraktur ist eine Fraktur mit Beteiligung einer Gelenkfläche. Wenn eine Frakturlinie bis in ein Gelenk verläuft, sollte dies unbedingt in der Befundbeschreibung erwähnt werden.
Eine besondere Frakturform ist die Grünholz-Fraktur. Bei dieser Fraktur im Kindesalter sieht man eine Aufwulstung oder Verbiegung des Knochens und keine typische Frakturlinie. Eine weitere typische Fraktur des Kinderalters ist die Epiphysenverletzung. Hier kommt es zu einer Fraktur durch die Wachstumsfuge. Es kann hierbei zu einer nur minimalen Verlagerung der Wachstumsfuge oder zu einer ausgeprägten Dislokation mit Trennung der Epiphyse von der Metaphyse kommen.
Tabelle 1: Fraktureinteilung mit Beteilgung der Epiphysenfuge nach Salter-Harris or Aitken.
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17.3.3. Dislokation und Subluxation
Von einer Subluxation spricht man, wenn die normale anatomische Stellung der artikulierenden Skelettanteile eines Gelenkes geringfügig verschoben ist. Hierbei sind die Gelenkflächen noch in Kontakt. Kommt es zu einer ausgeprägten Verlagerung und die Gelenkflächen stehen nicht mehr in Kontakt, handelt es sich um eine Dislokation. Die am häufigsten von Subluxation oder Dislokation betroffenen Gelenke sind die Schulter, der Ellenbogen, das Sprunggelenk, die Hüfte und die Fingergelenke. Die Gelenkkapsel und Ligamente sind im Rahmen von Luxationen meist zerrissen, was sich durch eine erhebliche Weichteilschwellung und Verlust der normalen Fettlinien äußert. Häufig finden sich auch kleinere knöcherne Ausrisse. Wie in der sonstigen Traumadiagnostik werden Aufnahmen in zwei senkrecht zueinander stehenden Ebenen benötigt, um das Ausmaß einer Luxation oder Luxationsfraktur korrekt zu erfassen.
Abb. 12 A) Vollständige Dislokation mit Kontraktion des Ellenbogens. Ulna und Radius sind beide nach dorsal disloziert. B.) Antero-inferiore Dislokation des Humerus im Schultergelenk.
17.4. Degenerative Gelenkerkrankungen
Die primäre Arthose betrifft im Wesentlichen die gewichtstragenden Gelenke, wie das Kniegelenk, in dem degenerativ bedingte Veränderungen insbesondere im medialen Gelenkkompartiment und im Patelloffemoralgelenk manifest werden. Im Hüftgelenk sind degenerative Veränderungen hauptsächlich im superolateralen Gelenkanteil erkennbar. Das tibiotalare Gelenk ist selten betroffen, hier zeigen sich gelegentlich Veränderungen im ventralen Anteil der Tibiagelenkfläche. Häufig handelt es sich hierbei allerdings auch um posttraumatische Veränderungen.
Abb. 13 A) Kniegelenk mit degenerativen Veränderungen. Das mediale Tibiaplateau zeigt eine Sklerosierungsvermehrung subchondral sowie eine Gelenkspaltverschmälerung. Ein kleiner Osteophyt ist an der medialen Femurkondyle abgrenzbar. B.) Beckenübersichtsaufnahme mit ausgeprägten degenerativen Veränderungen beider Hüftgelenke. Der rechte Femurkopf zeigt laterale Osteophyten und ist deformiert. Der Gelenkspalt ist verschmälert mit vermehrter subchondraler Sklerosierung des Azetabulums. Im linken Hüftgelenk besteht eine ausgeprägte Gelenkspaltverschmälerung und laterale osteophytäre Anbauten. Der Femurkopf ist sklerosierungsvermehrt und hat eine irreguläre Kortikalisbegrenzung.
An der Hand ist häufig das Gelenk zwischen Skaphoid und Trapezium und dem ersten Os metarcarpale von degenerativen Veränderungen betroffen. Zusätzlich finden sich oft degenerative Umbauten in den distalen Interphalangealgelenken der Finger. Die proximalen Interphalangealgelenke und die Metacarpophalangealgelenke sind meist weniger stark betroffen.
Abb. 14 Typische degenerative Veränderungen an der Hand: A) Gelenkspaltverschmälerung und subchondrale Sklerosierung des Gelenks von Trapezium und Scaphoid und des ersten Metacarpophalangealgelenkes. B.) Arthrose des distalen Interphalangealgelenkes mit typischen osteophytären Ausziehungen, Gelenkspaltverschmälerung und Sklerosiserungen.
Am Fuß ist am häufigsten das erste Metartarsophalangealgelenk degenerativ verändert. Zusätzlich zu einer Gelenkspaltverschmälerung und subchondralen Sklerosierungen sind hier häufig subchondrale, degenerative Zysten erkennbar. Des Weiteren finden sich häufig osteophytäre Randanbauten. Osteophyten sind eng mit der Arthrose verbunden. Bei degenerativen Gelenkerkrankungen ist diese Form der Knochenneubildung als Antwort oder Reparaturreaktion in fast allen Fällen erkennbar. Im Gegensatz hierzu ist bei einer Arthritis das vorwiegende Merkmal die Knochenzerstörung und osteophytäre An- oder Überbauten kommen nicht vor.
An der Wirbelsäule betreffen die degenerativen Veränderungen insbesondere die Facettengelenke und die Unkovertebralgelenke im HWS-Abschnitt. Degenerative Veränderungen betreffen auch die Zwischenwirbelräume und osteophytäre Randanbauten an den Wirbelkörperkanten. Die Traktionsosteophyten bei Diskusdegenerationen zeigen sich als zunächst horizontal orientierte osteophytäre Ausziehungen mit Ansatz am Wirbelkörper und Umgreifen der Bandscheibenfächer in einem bogigen Verlauf. Komplette Brückenbildungen über den Zwischenwirbelraum sind möglich.
Das Sakroiliakalgelenk ist ebenfalls häufig von degenerativen Veränderungen betroffen. Hierbei sind die Gelenkspalten sklerosierungsvermehrt und scharf begrenzt. Dies grenzt die degenerativen Veränderungen wiederum von den entzündlichen Gelenkveränderungen ab.
Die Arthrose kann auch als Folge einer durchgemachten Infektion oder eines Traumas vorkommen. In diesen Fällen betreffen die degenerativen Veränderungen insbesondere das beteiligte Gelenk und sind hier ausgeprägter als in den übrigen Körperregionen. Osteophyten begleiten die primären Arthrosen wie auch die sekundären posttraumatischen Arthrosen. Knöcherne Ausziehungen betreffen auch die diversen Kapsel- und Sehnenansätze und sind hier als Reaktion bei geänderter oder vermehrter Belastung (Traktionsosteophyten) nachweisbar.
17.5. Arthritis
17.5.1. Rheumatoide Arthritis
Die Rheumatoide Arthritis kann jedes synoviale Gelenk befallen. Das Sakroiliakalgelenk ist allerdings nur selten betroffen. Die häufigsten Manifestationen sind die kleinen Gelenke der Hand, des Handgelenks und der Füße meist unter Aussparung der distalen Interphalangealgelenke. In den frühen Krankheitsstadien liegen oft nur Weichteilschwellungen und eine juxtaartikuläre Osteopenie vor. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer Gelenkspaltverschmälerung und zur Ausbildung früher erosiver Veränderungen.
Der Nachweis von Erosionen ist beweisend für das Vorliegen einer irgendwie gearteten entzündlichen Erkrankung, unabhängig davon, ob die Erosionen durch eine Synoviahypertrophie, Kristallablagerungen oder eine bakterielle Infektion hervorgerufen werden. Bei der Rheumatoiden Arthritis entstehen die Erosionen infolge der entzündlichen Proliferation der Synovia, dem sogenannten Pannusgewebe. Wenn das Pannusgewebe zunimmt, dann verursacht dies Erosionen an der Knorpeloberfläche des Gelenks. Mit weiterer Zunahme der synovialen Veränderungen sieht man die Erosionen insbesondere an den sogenannten „bare areas“. Diese „bare areas“ sind die Knochenanteile innerhalb des Gelenks, wo die Synovia vom Knochen nicht durch einen Knorpelüberzug getrennt ist, also in der Nähe des Kapselansatzes. Der artikuläre Knorpel hat eine schützende Wirkung für den überzogenen Knochen. Die am Knorpel-Knochen-Übergang liegenden freien Knochenanteile sind daher die frühesten ossären Manifestationen der Rheumatoiden Arthritis.
Abb. 15 Rheumatoide Arthritis. A) Frühe erosive Veränderungen sind an den sogenannten „bare areas“ des zweiten und dritten Metacarpophalangealgelenks erkennbar. Bei einem Patienten mit einer lang bestehenden Rheumaerkrankung erkennt man ausgeprägte Destruktionen der Carpalia und des Processus styloideus. Des Weiteren besteht eine generalisierte Osteoporose, ausgeprägte Erosionen an den Metacarpophalangealgelenken und eine Subluxation im Daumensattelgelenk.
Die Rheumatoide Arthritis kann auch die Wirbelsäule betreffen, wobei Erosionen, Fehlstellung und eine Verschmälerung der Zwischenwirbelräume mit Sklerosierung der Endplatten auftreten kann. Typischerweise fehlen die osteophytären Randanbauten. Es kann zu multiplen Subluxationen, insbesondere im Atlantoaxialgelenk, kommen. Die thorakolumbale Wirbelsäule und die Sakroiliakalgelenke sind eher selten betroffen, was die Rheumatoide Arthritis von der ankylosierenden Spondylitis unterscheidet.
17.5.2. Spondylitis ankylosans
Die ankylosierende Spondylitis betrifft die synovialen und kartilaginären Gelenke und die Ansatzstellen von Sehnen und Kapselbandapparat. Die Spondylitis ankylosans hat eine ausgeprägte Prädilektion für das Achsenskelett, insbesondere das Iliosakralgelenk, die Zwischenwirbelgelenke und die kostovertebralen Gelenke. Die frühesten Manifestationen betreffen in erster Linie das Iliosakralgelenk mit Unschärfe der knöchernen Gelenkränder und einer mäßigen reaktiven Sklerose. Im weiteren Verlauf sind die thorakolumbalen und die lumbosakralen Gelenke betroffen.
Die Sakroiliitis ist das Kardinalzeichen der Spondylitis ankylosans. Die radiologisch sichtbaren veränderungen sind fast immer symmetrisch und beidseitig, wobei im frühen Stadium im Röntgenbild auch eine asymmetrische oder nur einseitige Verteilung bestehen kann. Die Symmetrie ist ein wichtiges differentialdiagnostisches Kriterium und erlaubt die Abgrenzung der ISG-Beteiligung bei Spondylitis ankylosans gegen Veränderungen im Rahmen der Rheumatoiden Arthritis, Psoriasis oder dem Reiter-Syndrom. Die Veränderungen betreffen sowohl den kranialen ligamentären Abschnitt als auch den synovialen Gelenkabschnitt und sind typischerweise im os ilium ausgeprägter als im Sakrum.
Inflammatorische synoviale Veränderungen und subchondrales Ödem sind sehr gut mittels MRT darstellbar. Die MRT ist diesbezüglich sehr sensitiv und wird mit zunehmender Häufigkeit eingesetzt, um inflammatorische Veränderungen der ISG bei Patienten mit ankylosierender Spondylitis zu detektieren und einzuteilen.
Abb. 16 T1-gewichtete und STIR-Bilder der Sakroiliakalgelenke eines jungen Patienten mit tiefem Rückenschmerz. Signalminderungen in der T1-gewichteten Sequenz zeigen sich als ödematöse Veränderungen in der STIR. Die Gelenkspalten sind verschmälert und die subchondralen Veränderungen sind im Os ilium ausgeprägter als im Os sacrum.
An den Wirbelkörpern zeigen sich typische Veränderungen mit zunehmender Umformung im Sinne eines „Kastenwirbels“. Zusätzlich finden sich Syndesmophyten in den Zwischenwirbelräumen. Ferner besteht eine Osteoporose. Syndesmophyten sind normalerweise nur bei seronegativen Spondylarthropathien vorhanden. Sie entstehen als Folge der Inflammation und Ossifikation der äußeren Fasern des Annulus fibrosus, den sogenannten Sharpey-Fasern. Diese Veränderungen werden in typischer Weise bei der ankylosierenden Spondylitis beobachtet. In den anderen seronegativen Spondylarthropathien finden sich eher paravertebrale Ossifikationen.
17.5.3. Psoriasisarthritis
Während viele Veränderungen bei der Psoriasisarthritis ähnlich der Rheumatoiden Arthritis sind, sind die Veränderungen im Rahmen der Psoriasis nicht immer symmetrisch. Die distalen Interphalangealgelenke sind häufiger betroffen und eine Ankylose wird ebenfalls häufiger beobachtet. Ca. 30-50 % der Patienten mit Psoriasisarthritis entwickeln zudem eine Mitbeteiligung des Iliosakralgelenkes. Die ISG-Beteiligung kann bilateral oder auch nur unilateral sein. Die radiologisch sichtbaren Veränderungen sind Erosionen und Sklerosierungsvermehrungen, überwiegend auf der iliakalen Seite sowie eine Aufweitung des Gelenkspaltes. Obwohl auch Gelenkspaltverschmälerungen und Ankylosierungen beobachtet werden, kommt dies weniger häufig vor als bei der klassischen ankylosierenden Spondylitis oder bei der Spondylitis im Rahmen entzündlicher Darmerkrankungen.
17.5.4. Reiter-Syndrom
Das Reiter-Syndrom bezeichnet eine asymmetrische Arthritis der unteren Extremität, Sakroiliitis und etwas seltener Spondylitis. Wenngleich die knöchernen Veränderungen denen der Spondylitis ankylosans und der Psoriasisarthritis ähneln, zeigt das Reiter-Syndrom eine häufigere Beteiligung von Fuß und unterer Extremität und eine eher seltene Beteiligung der oberen Extremität. Urethritis und die assoziierten Augenveränderungen helfen in der Diagnosestellung.
17.6. Osteomyelitis
Eine Osteomyelitis kann überall entstehen, als unmittelbare Ausdehnung einer Weichtteilinfektion oder infolge einer offenen Fraktur. Die hämatogene Osteomyelitis manifestiert sich typischerweise in der Metaphyse der langen Röhrenknochen aufgrund der hier besonders starken Blutversorgung. Der entzündliche Prozess kann sich subperiostal oder im Markraum ausbreiten. Am häufigsten betrifft eine Osteomyelitits Kinder aufgrund der stärkeren Vaskularisationen des Knochens und Erwachsene mit Einschränkungen der Immunlage.
Im Frühstadium der Osteomyelitis kann das Röntgenbild normal sein oder allenfalls diskrete Weichteilveränderungen wie eine Weichteilschwellung zeigen. Die Skelettszintigrafie oder die MRT sind in der Lage eine Osteomyelitis wesentlich früher nachzuweisen. Nach 1-2 Wochen kommt es zu einer diskreten Demineralisation, die sich im weiteren Verlauf zu einer ausgeprägten Entkalkung mit permeativem Muster entwickeln kann. Andere Zeichen einer Osteomyelitis sind periostale Knochenneubildungen und ein Verlust der kortikalen Zeichnung. Je aggressiver die Infektion verläuft, desto mehr Knochendestruktion und entsprechende osteolytische Veränderungen werden beobachtet. Eine periostale Knochenneubildung sowie Sklerosierungsvermehrung des betroffenen Knochens ist Folge der Reparaturversuche des Knochens. Bei der chronischen Osteomyelitis bestehen ausgeprägte Veränderungen der Spongiosaarchitektur mit osteolytischen und sklerosierenden Arealen sowie häufig ausgesprochen irregulären kortikalen Verbreiterungen.
17.7. Metabolische Knochenerkrankungen
Knochenveränderungen im Rahmen von metabolischen Erkrankungen stellen ein sehr komplexes Gebiet der Radiologie dar. Es kommt zu sehr vielen, teils disreten Interaktionen, die letztendlich nicht vollständig aufgeklärt sind. Im Rahmen dieses Kapitels werden nur einige wenige Entitäten erwähnt. Am häufigsten wird eine verminderte Röntgendichte beobachtet, die mit dem Begriff Osteopenie bezeichnet wird. Osteopenie sollte hier eher Verwendung finden als der Begriff der Demineralisation, da eine exakte Beurteilung der Mineralisation aus dem Röntgenbild nicht gelingt. Die häufigste Ursache der Osteopenie ist die Osteoporose. Es gibt aber zahlreiche andere Erkrankungen, die mit einer Osteopenie einhergehen, sodass die reine Abnahme der Röntgendichte nicht automatisch mit einer Osteoporose gleichzusetzen ist.
17.7.1. Osteoporose
Die Osteoporose ist Folge eines Verlustes an Knochensubstanz. In einer konventionellen Röntgenaufnahme sind 30-50 % Verlust an Knochenmasse notwendig, bevor eine Osteoporose sicher erkannt werden kann. Die Altersosteoporose bezieht sich auf den kontinuierlichen Verlust der Skelettmasse im Rahmen des natürlichen Alterungsprozesses. Die postmenopausale Osteoporose bezieht sich hierbei auf den vermehrten Verlust von Knochensubstanz bei Frauen, der typischerweise nach der Menopause einsetzt. Beide Prozesse sind sehr ähnlich. Die Pathogenese ist nicht vollständig geklärt, ist aber letztlich Ausdruck einer Kombination einer vermehrten Knochenresorption bei verminderter Knochenneubildung. Normalerweise beginnt der kontinuierliche Verlust der Skelettmasse bei Frauen in der 4. Lebensdekade und in der 5.-6. Lebensdekade bei Männern. Bei Frauen ist der Knochenabbau nach Einsetzen der Menopause beschleunigt.
Der Verlust an Knochenmasse, insbesondere des spongiösen Knochens im Rahmen der Osteoporose stellt eine Prädisposition für Frakturen dar. Typischerweise handelt es sich hierbei um Kompressionsfrakturen der Wirbelkörper, Frakturen des distalen Radius und des Schenkelhalses sowie der Trochanterregion. Zusätzlich zu der keilförmigen Deformierung der Wirbelkörper zeigen sich Einsenkungen der Wirbelkörpergrund- und deckplatten.
Eine unzureichende Kalziumaufnahme kann zu einer Osteoporose führen. Auch Patienten, die große Mengen an Heparin erhalten, können eine reversible Osteoporose entwickeln. Bei Alkoholikern wird ebenfalls eine Osteoporose mit Reduktion der Knochenmasse und erhöhter Frakturneigung beobachtet.
Die Osteoporose im Rahmen eines Morbus Cushing oder nach Kortikoidmedikation ist gut bekannt. Histologische Untersuchungen in diesen Fällen zeigen eine Kombination aus vermehrtem Knochenabbau und verlangsamter Knochenneubildung.
Andere Erkrankungen, die sich mit einer Osteoporose manifestieren können, sind z. B. der Hyperthyreoidismus, die Akromegalie, die idiopathische juvenile Osteoporose und die Osteogenesis imperfecta. Diese Erkrankungen sind selten, sollten aber in der Differentialdiagnose berücksichtigt werden, wenn eine unklare Osteoporose insbesondere bei jungen Patienten entdeckt wird.
17.7.2. Inaktivitätsosteoporose
Die Inaktivitätsosteoporose oder Inaktivitätsosteopenie zeigt sich als diffuse Mineralsalzminderung des betroffenen Skelettelements. Aufhellungslinien können insbesondere proximal zu den Epiphysenfugen beobachtet werden. Die Inaktivitätsosteopenie ist Folge einer Extremitätenverletzung mit Bewegungseinschränkung, sodass die normale Belastung entfällt mit entsprechender Minderung der Knochendichte distal der Verletzung.
17.7.2.1.Reflexdystrophie
De Reflexdystrophie (Sudeck-Syndrom) ist eine Erkrankung unklarer Ätiologie. Klinisch wird ein Sudeck-Syndrom manifest durch Schmerzen, Veränderungen der Gefäßmotorik (Vasospasmus oder Vasodilatation), trophische Hautveränderungen (Hautathropie, Pigmentveränderungen, Hypertrichose, Hyperhidrose und Nagelveränderungen). Radiologisch ist das Sudeck-Syndrom gekennzeichnet durch eine regionale Osteoporose der betroffenen Gliedmaße. Die Diagnosestellung beruht auf den typischen klinischen Veränderungen. Die häufigsten radiologischen Veränderungen sind Weichteilschwellungen und fleckige regionale Osteoporose.
17.7.3 Osteomalazie
Die Osteomalazie ist ein Begriff, der eine unzureichende Mineralisation des Osteoids beschreibt, wobei in ausreichende Osteoid produziert wird. Bei Kindern handelt es sich hierbei um die typische Rachitis. Zwei wichtige Differentialdiagnosen sind Störungen des Vitamin D Stoffwechsels und der renale Phosphatverlust. Die klassischen Veränderungen der Osteomalacie sind abnehmende Knochendichte, Vergröberung des Trabekelmusters und kortikale Resorptionen, die insbesondere zu einer kortikalen Ausdünnung im weiteren Krankheitsverlauf führen. Prinzipiell kann nicht verkalktes, angesammeltes Osteoid in Röntgenaufnahmen als lineare Aufhellung mit senkrechter Orientierung zum Kortex erkennbar werden. Diese Veränderungen werden auch als Looser-Umbauzonen beschrieben und sind typisch für die Osteomalacie.
17.7.4. Hyperparathyreoidismus
Die primäre Form des Hyperparathyreoidismus ist eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen, normalerweise durch ein Adenom. Seit der Einführung der Hämodialyse ist allerdings eine wesentlich häufigere Ursache des Hyperparathyreoidismus die sekundäre Form durch eine chronische Nierenerkrankung insbesondere eine glomeruläre Funktionsstörung. Die Manifestation am Skelett wird als renale Osteodystrophie bezeichnet.
Durch Resorption des Knochens durch erhöhtes Parathormon kommt es zu einer diffusen Osteopenie. Diese Veränderungen sind allerdings ausgesprochen unspezifisch. Ein wesentlich spezifischer Befund ist der Nachweis von subperiostalen Resorptionen, die praktisch pathognomonisch für das Vorliegen eines Hyperparathyreoidismus sind.
17.8. Knochentumoren
Die wichtigste Aufgabe beim Nachweis eines primären Knochentumors ist die Entscheidung, ob es sich um einen benignen oder malignen Befund handelt. Benigne Tumoren haben normalerweise kein aggressives Aussehen. Es handelt sich um langsam wachsende Läsionen mit einer umschriebenen geografischen Lokalisation, scharf begrenzten Skleroserändern oder Herde ohne Randsklerose aber mit guter Abgrenzbarkeit von Läsion und normalem Knochen. Benigne Läsionen respektieren normalerweise die knöcherne Architektur; sie können zwar expansiv wachsen und die Kortikalis ausdünnen, bleiben aber normalerweise in ihrem Entstehungsort.
Bei aggressiveren Läsionen sind die Ränder zunehmend unscharf begrenzt, die Herde können einen mottenfraßartigen Aspekt oder ein permeatives Destruktionsmuster mit diffuser Knochenzerstörung bieten. Die Läsionen werden zunehmend rund und respektieren knöcherne Grenzen nicht mehr. Einige Tumoren durchbrechen Kortex und Periost und besitzen einen großen Weichteilanteil.
Metastasen sind meist multipel und betreffen typischerweise Patienten mit einer bekannten Tumorerkrankung. Nichtsdestotrotz muss an eine Knochenmetastase gedacht werden, sobald ein einzelner, aggressiv wirkender Herd mit unscharfen Grenzen und permeativem Wachstumsmuster bei einem Individuum mittleren oder höheren Alters nachgewiesen wird. Die Metastase ist in diesem Fall deutlich wahrscheinlicher als der primäer Knochentumor. Die meisten Metastasen sind osteolytisch wachsend, wobei das Adenokarzinom der Prostata sich meistens als osteoblastischer Tumor manifestiert. Mammkarzinome sowie einige Lymphome, insbesondere das Hodgkin-Lymphom manifestieren sich als osteosklerotische (blastische) Läsionen. Unter einer Chemotherapie oder Strahlentherapie kann ein initial osteolytischer Herd sklerosieren.
Die Knochenszintigrafie ist die Methode der Wahl im Nachweis und im Staging von Patienten mit einer bekannten Tumorerkrankung wie z. B. Bronchialkarzinom oder Mammakarzinom. Die Knochenszintigrafie ist sensitiver als die Röntgendiagnostik und szintigrafisch heiße Regionen können dann ergänzend durch Röntgenaufnahmen untersucht werden.
Differentialdiagnose solitärer osteolytischer Knochenläsionen
- Metastase/Myelom
- Eosinophiles Granulom/Enchondrom
- Solitäre Knochenzyste
- Aneurysmatische Knochenzyste
- Riesenzelltumor
- Nicht-ossifizierendes Knochenfibrom
- Fibröse Dysphasie
- Osteoblastom
- Chondroblastom/Chondromyxoid Fibrom
- Hyperparathyreoidismus (brauner Tumor)/Hämangiom
- Infektion
Das Patientenalter ist sehr wichtig, um die potentielle Differentialdiagnose eines Knochentumors einzuengen. Die nachfolgende Tabelle enthält ein grobes Schema zur Korrelation von Knochentumor und Patientenalter.
Tabelle: Typische Knochentumoren und betroffene Altersgruppe.
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Handelt es sich um eine langsam wachsende Läsion, so wird der Knochen durch die Läsion langsam verdrängt, wobei am Rand der Läsion neuer Knochen entstehen kann, wodurch der typische Sklerosesaum erklärt ist. Handelt es sich um einen schnell wachsenden Prozess, so kann der umliegende Knochen sich meist nur zurückziehen ohne einen Sklerosesaum aufzubauen. Die solitären osteolytischen Läsionen mit einem umschriebenen Randsaum werden normalerweise als geografische Läsionen bezeichnet unabhängig davon, ob sie einen Sklerosesaum haben oder nicht. Bei schneller wachsenden Tumoren kommt es zu einem Verlust der Grenzflächen mit einer schlechten Unterscheidbarkeit von normalem und tumorösem Knochen mit einem inhomogenen Erscheinungsbild, welches durch kleine, irreguläre Löcher in der Knochensubstanz entsteht. Dieses Bild entspricht einem ausgesprochen aggressives Wachstumsmuster, dem sogenannte permeativen Muster. Ein permeatives Muster findet sich am häufigsten bei Metastasen, dem Multiplen Myelom, dem Histiozytom, dem Ewing-Sarkom.
Abb. 17 Lodwick Klassifikation zur Beschreibung solitärer osteolytischer Knochenläsionen
IA – langsam wachsender Tumor, scharfe Läsion mit Sklerosesaum, normalerweise gutartig.
IB – langsam wachsender Tumor, geografische Läsion ohne Sklerosesaum, Kortexausdünnung möglich
IC – schneller wachsender Tumor, unscharf begrenzt aber geografische Läsion. Kortexdestruktion möglich.
II – schnell wachsende Läsion, kein geografisches Muster, sondern eher mottenfraßartiges Erscheinungsbild mit infiltrativem Muster, maligner Tumor.
III – sehr schnell wachsender Tumor, Tumor respektiert Knochenstruktur und Grenzflächen nicht. Die Infiltration hat ein aggressives permeatives Muster.
Abb. 18 Osteosarkom als unscharf begrenzte Läsion mit permeativem Wachstumsmuster und entsprechender Knochendestruktion und Kortexdestruktion in der distalen Metaphyse des Femurs.
Die meisten expansiv wachsenden osteolytischen Herde finden sich im Marklager. Zusätzlich sollte darauf geachtet werden, in welcher Beziehung die Läsion zur Epiphysenfuge steht. Die meisten Läsionen haben Prädispositionen für bestimmte knöcherne Abschnitte, die sich aus ihrem Herkunftsgewebe ableiten lässt. Z. B. wächst das Chondroblastom in der Epiphyse, während das Osteosarkom normalerweise in der Metaphyse entsteht. Rundzellige Läsionen wie das Ewing-Sarkom betreffen typischerweise die Diaphyse.
Eine andere Art einen Knochentumor weiter zu charakterisieren, ist die Analyse der Tumormatrix. Die Matrix wird durch Osteoblasten und Chondroblasten erzeugt und ist das Gerüst für die Bildung von neuem Knochen oder neuem Knorpel. Die Tumormatrix ist verändert und zeigt keine typische Ossifikation. Die Matrix eines Tumors kann daher in der Einordnung einer Läsion als knorpelproduzierender Tumor (Enchrondrom, Chondrosarkom, Chondromyxoidfibrom, usw.) oder knochenproduzierender Tumor (Osteom, Osteoblastom, Osteosarkom, usw.) helfen. Eine chondroide Matrix zeigt meistens kleine punktförmige oder wirbelartige Verkalkungen. Die knöcherne Matrix ist dichter und konfluierend. Einige Tumore wiederum zeigen nur eine sehr geringe oder gar keine Kalzifizierung ihrer Matrix (fibröse Dysplasie, Fibrosarkom, malignes fibröses Histiozytom, solitäre Knochenzyste, usw.)
Abb. 19 Chondroblastom: Expansiv wachsende Läsion der Humerusepiphyse und der Epiphyse. Die Osteolyse zeigt eine Kortexdestruktion und punktförmige Matrixverkalkungen.
Neben osteolytischen Läsionen müssen osteosklerotische Herde unterschieden werden. Ein Herd wird als sklerotisch bezeichnet, wenn er dichter ist als der umgebende Knochen. Hierbei handelt es sich normalerweise um einen langsam wachsenden Prozess. Knochen reagiert typischerweise auf einen Reiz auf der Umgebung durch eine Knochenresorption (typischerweise bei schnell wachsenden Läsionen) oder durch Knochenneubildung (der Knochen hat mehr Zeit zum Aufbau von Knochensubstanz).
Differentialdiagnose sklerotischer Knochenläsionen
- Hämangiom
- Infarkt
- Stressfraktur
- Chronische Osteomyelitis
- Osteom
- Osteosarkom
- Prostatakarzinom
- Mammakarzinom
- Vitamin D Intoxikation
- Fluoridintoxikation
- Hyperparathyreoidismus
- Osteopoikilie
- Osteopetrose
- Morbus Paget
17.8.1. Plasmozytom
Das Plasmozytom ist ein bösartiger Plasmazelltumor, der sich aus den Zellen des roten Knochenmarks entwickelt. Das Plasmozytom ist der häufigste maligne Knochentumor. Das primär solitäre Plasmozytom ist deutlich weniger häufig als die multilokuläre Form, das Multiple Myelom. Die häufigsten Manifestationsorte des Multiplen Myeloms entsprechen dabei der Verteilung des roten Knochenmarks: Wirbelsäule, Becken, Schädel, Rippen, proximale lange Röhrenknochen. Die Diagnose beruht auf typischen Veränderungen der Immunelektrophorese und einer Knochenmarkbiopsie. Die Skelettbeteiligung wird im Rahmen des Stagings durch Übersichtsaufnahmen vom Achsenskelett, dem Schädel und den proximalen Röhrenknochen evaluiert. Üblicherweise erfolgt die Untersuchung mittels Übersichtsaufnahmen, wobei in den letzten Jahren die Niedrigdosis-CT die konventionellen Aufnahmen zunehmend ersetzt. Insbesondere bei der Detektion und Charakterisierung der Veränderungen in Wirbelsäule und Becken ist die CT sensitiver und zuverlässiger.
Die Skelettszintigrafie zeigt normalerweise keine Mehrbelegung bei einem Plasmozytombefall. Beim Nachweis einer Osteolyse in der Übersichtsaufnahme ohne Mehrbelegung in der Skelettszintigrafie ist das Plasmozytom die wahrscheinlichste Diagnose. Die MRT ist sehr sensitiv im Nachweis eines Knochenmarkbefalls in T1-gewichteten Aufnahmen und ödemsensitiven Sequenzen (STIR).
17.8.2. Fibröse Dysplasie
Bei der fibrösen Dysplasie handelt es sich um eine überschießende Proliferation von spindelzelligen, fibrösen Gewebe innerhalb eines Knochens. Am häufigsten ist hierbei der Markraum betroffen, auch wenn in seltenen Fällen der kortikale Knochen mitbeteiligt sein kann. Sehr häufig findet sich daher eine Vergrößerung eines Knochens mit einer im Markraum gelegenen expansiven Läsion.
Die klinische Bedeutung der Krankheit resultiert aus der Lokalisation des betroffenen Knochens. Es kommt zu Deformierungen, Vergrößerungen und Schmerzen. Gelegentlich können auch pathologische Frakturen entstehen. Eine Malignisierung mit Transformation in ein Osteosarkom ist sehr selten (< 0,5 %). Zwei Formen der fibrösen Dysplasie werden mit einer gewissen Häufigkeit nachgewiesen: die konventionelle Form (Jaffe-Lichtenstein-Syndrom), die einen monostotischen oder polyostotischen Befall zeigt, und eine Sonderform der polyostotischen fibrösen Dysplasie, die mit einer pubertas präcox und Café-au-lait Flecken vergesellschaftet ist (McCune-Albright-Syndrom).
17.9. Gefäßerkrankungen
17.9.1. Osteonekrose
Bei einer Osteonekrose liegt nicht-vitaler Knochen vor. Synonyme sind aseptische Nekrose, avaskuläre Nekrose, Knocheninfarkt und ischämische Nekrose. Die Bezeichnungen aseptisch oder avaskulär werden am häufigsten gebraucht, wenn es sich um juxtaartikuläre Knochensegmente handelt oder wenn ein kompletter Knochen nekrotisch ist. Die Bezeichnung Knocheninfarkt wird normalerweise bei metaphysären oder diaphysären Veränderungen benutzt. Die Osteonekrose ist multifaktoriell und kann unterschiedlichste Regionen und Knochen betreffen. Es gibt allerdings gewisse Prädilektionsstellen.
Eine Osteonekrose benötigt eine gewisse Zeit der Entwicklung, bevor sie in Übersichtsaufnahmen nachweisbar wird. Im Frühstadium findet sich gelegentlich eine unscharf begrenzte Irregularität des Trabekelmusters des Knochens. Im Spätstadium hängen die Veränderungen von der Lokalisation ab. Betrifft die Veränderung den Markraum in Entfernung vom Gelenk kommt es zu dichten, schlangenartigen Kalzifikationen. Betrifft die Nekrose eher den subchondralen Knochen kommt es im Laufe der Entwicklung über Monate zu Mikrofrakturen innerhalb des avitalen Knochens, die bis zu erkennbaren subchondralen Frakturen führen. Hierdurch kommt es zu einer Unterbrechung der subchondralen Linien, dem typischen Crescent-Zeichen, welches einer Fraktur zwischen dem avitalen und umliegenden Knochen entspricht. Der vitale Knochen reagiert in der Umgebung meist durch eine Sklerosierungsvermehrung und grenzt so ein Niemandsland zwischen vitalem und avitalem Knochen ab.
17.10. Entwicklungsstörungen
17.10.1. Achondroplasie
Die klassische Achondroplasie ist eine autosomal dominante Erkrankung, die die Überlebenszeit des Patienten in der Regel nicht einschränkt. Die meisten Fälle der Achondroplasie entstehen auf der Basis einer Neumutation und nicht durch Vererbung.
Die Achondroplasie ist gekennzeichnet durch einen dysproportionierten Zwergwuchs mit verkürzten Extremitäten und kaum betroffener Wirbelsäule und Schädel. Das Hauptproblem ist hierbei eine Störung in der enchondralen Knochenneubildung, die zu einer deutlichen Einschränkung des Knochenlängenwachstums führt. Die charakteristische Schädel- und Gesichtsform der Achandroplasie unterstreicht diese Entwicklung. Die Schädelkalotte wird in Form und Größe durch das Hirn bestimmt. Da das Gehirn der betroffenen Person normal groß ist, ist auch der Schädel von normaler Größe. Gesicht und Schädelbasis andererseits entstehen aus enchondralem Knochen und zeigen ein deutlich reduziertes Wachstum im Vergleich zur Schädelkalotte. Die Foramina der Schädelbasis und des Spinalkanals sind daher oftmals klein und führen zu manigfaltigen neurologischen Problemen und einer Spinalstenose. Die Metaphysen der langen Röhrenknochen sind verbreitert, die Diaphyse entsprechend verkürzt und deformiert.
17.10.2. Osteogenesis imperfecta
Diese vererbte und generalisierte Erkrankung des Bindegewebes ist charakterisiert durch eine fehlerhafte Reifung des Kollagens. Hierbei werden das Skelett, die Ligamente, die Haut, die Skleren und die Zähne betroffen. Klinische Veränderungen sind blaue Skleren und eine Odontogenesis imperfecta. Des Weiteren kommt es zu Störungen der periostalen und endostalen Knochenneubildungen mit generalisierter Osteoporose und Fragilität des Skeletts. Wachstumsverzögerungen finden sich in den meisten Fällen. Die Patienten sind untersetzt, was allerdings nicht nur das eingeschränkte Knochenwachstum reflektiert, sondern auch durch zahlreiche Deformierungen in Folge von multiplen Frakturen der geschwächten Knochen. Exzessive Kallusbildung und Pseudarthrosen kommen ebenfalls oft vor.
Unterrichtspunkt:
Wir haben die wich tigsten radiologischen Aspekte des Bewegungsapparates kennengelernt: Traumata, degenerative, entzündliche, Tumorläsionen.
Die Bedeutung von Radiologen (und Partnerfächer) ist für die Früherkennung von Osteoporose sowie für die Diagnose tumoröser (Knochen- und Weichteile) Läsionen und Metastasen von großer Bedeutung.
Deutsche Übersetzung von Adam Domonkos Tarnoki